Zwischen Heute und Morgen

Zwischen Heute und Morgen

Eröffnungsrede

ZWISCHEN HEUTE UND MORGEN

Malerei und Zeichnung

am Samstag, den 7. März 2009 in der Galerie ABAKUS,Berlin

Liebe Kunstfreunde und Freunde der Galerie ABAKUS, liebe Gäste,

ich möchte Ihnen heute den Künstler und Ingenieur Manfred Fuchs vorstellen. Bevor Manfred

Fuchs zur Kunst fand, widmete er sich dem Feld der Ökologie und Technik.

Sein erstes Studium am Fachbereich Umwelttechnik und Maschinenbau der Technischen

Universität Berlin in den 80er Jahren schärfte seinen Blick für die Problematik technischer

Errungenschaften und deren Folgewirkungen. Politisch den Grünen nahe wurde er zum Atomkraftgegner,

organisierte Events wie die „giftgrüne Woche“ im Ökodorf e.V. Berlin und begann

generell die profitorientierte Industrie mit ihren Konsequenzen für Natur, Mensch und Gesellschaft

in Frage zu stellen.

Die brisanten Themen der Zeit trieben Manfred Fuchs zu einer Auseinandersetzung mit seiner

Berufswahl und zugleich übte die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Hochschule der

Künste auf den Ingenieur eine besondere Faszination aus. Er entschloss sich für ein Studium

der Malerei, wurde Meisterschüler und entdeckte sodann als Künstler erneut seine Liebe zu

Maschinen, zu Staub und Ruß, Abrieb und Schmiere, zu dem Krach, dem Material, das

geschmolzen, geschmiedet und wie auch immer bezwungen wird.

Während er bereits als Student in den „heiligen Räumen der Kunst“ verankert war, schrieb er

noch im Sektor der Technik seine Diplomarbeit über Biogasanlagen für Hausmüll und die

nachfolgende Kompostierung der dabei anfallenden Reststoffe.

Seither mischt und rührt er Farben, fertigt Bilder, Pläne, Zeichnungen und vereinigt das

Wissen des Ingenieurs mit der Reflexion des Künstlers.

Er nutzt den Freiraum der Kunst für ein Korrektiv zur industriellen Technik und ihrer

verheerenden Auswüchse. Thema sind die längst der aus der Bahn geratenen Stoffkreisläufe

auf globaler Ebene. Unser bedrohtes Klima. Manfred Fuchs‘ Antwort auf die Klimakatastrophe

ist die Schaffung neuer Ressourcen unter Einsatz einer speziell dafür zugeschnittenen

Technologie. So inszeniert er in seinen Bildwelten utopische Agrarlandschaften mit einer

technischen Ausstattung, die den gesamten Prozess eines Anbau-, Ernte- und Verwertungsverfahrens

höchst effektiv organisiert. Die Rübe als Energiespeicher ist dabei der Hauptakteur.

Sie wird gepflanzt, geerntet und verarbeitet, allerdings gedeiht sie auf recht wunderlichem

Ackerland. Die Anbauflächen auf der Welt sind rar geworden. Was nicht vom

Großstadtdschungel verdrängt wurde ist bereits für Ernährungszwecke ausgelastet und die

wenig gebliebenen Naturreservoire sind unantastbar. Da muss man ausweichen. Aber wohin?

So gilt es, die Gebiete zurückzuerobern, die der Natur genommen wurden. Alles Brachgelände

wird zum Ackerfeld und was an öffentlichen Bauten verlassen ist wird umstrukturiert.

Ungenutzte Kornmühlen, Getreidespeicher, Windmühlen, verlassene Leuchttürme und sogar

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leerstehende Kirchen mit ihren hohen Türmen werden zu Standorten für die Weiterverarbeitung

des kostbaren Ernteguts, das getrocknet, sortiert und eingelagert wird.

Auf surrealistisch anmutenden Seelandschaften kommt die rettende Rübe zum Einsatz.

Stillgelegte Ölbohrinseln fungieren als ihre Aufbereitungsmaschinerien. Dort wird die reife

Wurzelfrucht herbei geschwemmt, mit eigens dafür entwickelten Vorrichtungen geerntet und

verladen. Was die Maschine nicht erfasst sinkt ab zum Meeresgrund, wird von Kompaktoren

planiert und in die Sedimente eingebettet. Wer weiß, ob sich ihr Aggregatzustand in brauchbares

Brennmaterial verwandelt. Vielleicht wird dann eines Tages nach fossilen Rüben

gebohrt.

Auf Flüssen sind die Ernteboote mit Rollwalzen unterwegs, die an speziellen Haken das

Gemüse einsammeln, sortieren und aufreihen. Transportschiffe gleiten gemächlich mit der

regelmäßig gestapelten Fracht übers Wasser.

Diese Blätter wirken als Bindeglied zwischen Bauplan, Konstruktionszeichnung und Malerei.

Formen werden durch die Linie definiert und von einem dezenten Kolorit begleitet. Dabei

fügen sich Perspektivverschiebungen zu Szenerien, die Landschaften stets in Zusammenhang

mit technischen Systemen entwickeln. Und so wie die Bildfläche selbst zum Experimentierfeld

wird, greift die Fantasie des Künstlers zu irrealen Maßnahmen, die Welt neu zu erschaffen.

Da fördern ausgediente Bergwerke Kies und Schutt zutage, um daraus Gebirge und neue

Hügellandschaften zu produzieren, denn der allgemeinen Verflachung sollte entgegen gewirkt

werden. Hochwertige Biokarotten ersetzen Atomstrom in umweltfreundlichen Karottenkraftwerken.

In einer tiefblauen Lagune begegnet uns Technik und Natur in harmonischer Eintracht. Eine

spezielle Seerübenpflegemaschine hat sich in ihrer Gestalt den Gewächsen, die sie von Unrat

befreit, angeglichen. Aber ganz sicher ist man sich nicht, ob da nun ein Unterwasserboot von

Menschenhand gesäte Tiefseerüben einsammelt, oder ob es sich eher um ein ozeanisches

Lebewesen handelt, das seinen Nachwuchs versorgt. Das Bild führt uns in eine Reflexion, ein

prüfendes Nachdenken. Was hat es auf sich mit dem U-Boot und den Wasserrüben? Auf

einem anderen Blatt steigen die Rüben gespenstisch in den Äther, könnten das wohl Abfallprodukte

sein oder gar Rübenseelen? Ein Sinnbild für das Sterben vielleicht, für das Ende der

Ressourcen, für den Wandel oder den Stoffkreislauf.

Die Kunst vermag der Technik, dem Ingenieurwesen, neue Horizonte aufzuzeigen und die

Verbindung beider Disziplinen hat eine lange Tradition. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert

traten die sogenannten Künstler-Ingenieure auf, deren berühmtester Vertreter

Leonardo da Vinci ist. Es gab viele in seiner Zeit. Die intensive Verknüpfung von Kunst und

Technik war allgegenwärtig, denn die schöpferische Kraft ist dem Künstler wie dem Naturwissenschaftler

und Techniker eigen. Auch Techniker gestalten neue Wirklichkeiten. Nur

bietet die Freiheit der Kunst dem Techniker ein Reflexionsareal, auf dem er Wirkmechanismen

kritisch überdenken kann.

Fuchs‘ Bilder demonstrieren innovative Sichtweisen auf die Zweckgerichtetheit der Technik

und auf unsere Existenz. Denn er sieht bei all den Gefahren doch die Leistungen technischer

Entwicklungen. Seine Bilder formen eine Zukunft, die uns vor Augen führt, dass wir die

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Richtung erkennen müssen, in die wir uns wandeln. Wir brauchen viel Wissen über Pflanzen

und Ernten, Eingraben – Ausgraben, Einlagern – Auslagern, über Kohle und Öl, über Kernspaltung

und Kernfusion vielleicht und vor allem über Rüben! Der Ingenieur und Künstler

zeigt uns, dass wir unser Klima selbst steuern können, wenn wir entsprechend handeln.

Aber Vorsicht, es könnte uns direkt betreffen, wenn er den Weißensee in eine seiner

Wasserrübenverwertungsanlagen verwandelt und der Bootsverleih im Sommer nicht mehr

Tretboote sondern Wasserrübenerntemaschinen für unser Sonntägliches Vergnügen zur

Verfügung stellt.

Herzlichen Dank

Doris Knöfel

Doris Knöfel, M.A.

Kulturmanagerin der

Ateliergemeinschaft Milchhof e.V.

Schwedterstraße 232

D – 10435 Berlin

Mail: milchhof.ev@berlin.de

© 2009 Doris Knöfel

Rede als PDF:

https://manfredfuchs.com/wp-content/uploads/2016/04/Rede-Doris-Knoefel.Galerie-ABAKUS.13.03.09.pdf

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